Unsere ehrenamtliche Mitarbeiterin Ruth Vahle berichtet über ihre erste Sterbebegleitung außerhalb des famliliären Rahmens:
Meine erste Begleitung entstand durch einen Pflichtbesuch. Wir kennen das alle: In unserem Bekanntenkreis oder in der Nachbarschaft lebt ein Mensch mit einer unheilbaren Krankheit. Man weiß, es ist ein Besuch fällig
und doch schiebt man den Besuch immer wieder auf. Fragen waren da, was spreche ich mit dem Menschen, was soll ich mitnehmen? Ängste stiegen in mir auf.
Ein kurzer Anruf bei der Familie und dann habe ich den Besuch wahrgemacht. Ein paar Blumen aus dem eigenen Garten. Ich hatte mir meine Worte, die ich sagen wollte zurechtgelegt, doch es kam alles ganz anders. Die Kranke freute sich über die Blumen und erzählte mir , dass die Krankheit nun auch schon ihr Augenlicht zerstört hätte. Wir sprachen dann über Garten und Blumen und die Stunde verging wie im Flug.
Beim Abschied kam die Frage, ob ich bald wieder kommen würde. Wir vereinbarten gleich einen Termin, und so entstand eine wöchentliche Regelmäßigkeit. Manchmal gab es auch private Termine, so dass ich dachte, du kannst den Besuch ja verschieben. Aber nein, man kann auch die privaten Termine verschieben. Die Besuche an diesen Tagen waren für mich die schönsten Besuche.
Der Krankheitszustand verschlechterte sich zusehends. Die Familie gab mir zu verstehen, dass meine Besuche eine Entlastung für sie waren. Ich war zu jeder Zeit willkommen. Am letzten Abend gab sie mir beide Hände zum Abschied. Vielleicht haben wir beide das gleiche gedacht: "So nimm denn meine Hände."
Auf dem Heimweg kamen mir viele Gedanken von den Besuchen, und ich muss sagen, ich bin die Beschenkte, mir sind die Augen und Ohren geöffnet worden.
In der folgenden Nacht ist sie ruhig eingeschlafen.