Rückblickend kann ich sagen: „Die Entscheidung für den Kurs zur ehrenamtlichen Hospizmitarbeiterin war der Beginn zur aufregendsten Reise meines Lebens und damit verbunden, einer Reise zu mir selbst.“
Mein ursprüngliches Ziel war, frühzeitig dafür zu sorgen, für mich einen Plan B zu haben, wenn meine Kinder flügge werden. Das somit entstehende Mehr an Freizeit wollte ich sinnvoll verbringen.
Die Erzählungen meiner Freundin über ihre Mitarbeit in einer Hospizgruppe, und hier speziell ihre Aussage: „Ich kann den Menschen durch meine Begleitung viel geben, aber die Begleiteten geben noch viel mehr zurück“ haben mich neugierig gemacht. Kann es sein, dass ich von Schwerstkranken oder von Menschen in der letzten Lebensphase lernen kann? Kann es sein, dass sie mir für meinen Weg etwas mitgeben?
Und so startete ich am 03.03.2015 sehr aufgeregt in mein Abenteuer. Mit mir begannen sechs Frauen diesen Kurs. Geleitet wurde er von der Koordinatorin der Hospizgruppe Gisela Sauerland und ihrem Mann Hanno Paul, Pfarrer im Lukas-Krankenhaus Bünde.
Der theoretische Ablauf des Kurses war klar: er umfasste 100 Unterrichtsstunden, unter anderem mit den Themenschwerpunkten:
- Auseinandersetzungen mit den eigenen Erfahrungen mit Abschied, Tod und Sterben und der eigenen Sterblichkeit
- Haltungen und Methoden der Gesprächsführung
- Bedürfnisse Sterbender und ihrer Angehörigen
- Umgang mit Trauer, Angst, Ohnmacht und Demenz.
Ergänzt wurde der Kurs durch ein Praktikum im Alten- oder Pflegeheim von 12 Stunden.
Ich kann mich noch genau an unser erstes Treffen erinnern: Es fühlte sich gut und richtig an, ich spürte, diese Arbeit wird „genau mein Ding“. Auch während der weiteren Treffen hat mich dieses Gefühl nie verlassen.
Dennoch kam ich oft an meine Grenzen und darüber hinaus. Der Kurs war Arbeit, schwere Arbeit! Plötzlich taten sich in mir Dinge auf, die jahrelang verschollen waren. Ich verstand plötzlich Verhaltensweisen und Muster, in denen ich feststeckte. Am deutlichsten zeigte sich das bei mir, als wir zu bestimmten Themen unsere Gefühle und Gedanken in Stillarbeit malten bzw. zeichneten. Ich war immer ganz bei mir, ich ließ mich von nichts ablenken und Erstaunliches kam zum Vorschein.
Und unsere Kursleitung fragte immer wieder nach, wie zum Beispiel „Wie geht es Ihnen damit? Was hilft Ihnen? Was hat dieses Gefühl ausgelöst ... Nie gaben sie uns die Antworten vor. Wir mussten selber zu unserem Kern vordringen, uns mit uns befassen, auf Signale unseres Körpers hören.
Mein persönlicher Höhepunkt dieses Kurses war das Wochenende in Bad Salzuflen zum Thema „Dem eigenen Sterben begegnen“. Ich kann für mich sagen: Dort bin ich bei meinem Inneren angekommen. Ich weiß nun, wie ich SEIN möchte, dass ich einfach nur SEIN möchte. Und dass die Zeit, in der ich mich immer angepasst habe, zu Ende sein darf.
In meiner Zeit des Kurses habe ich viele Bücher zum Thema Sterben gelesen. Die Geschichte eines alten Mannes, der am Sterbebett feststellen musste: “... ich habe das Leben der Anderen gelebt“, ist mir eindringlich in Erinnerung geblieben. Ich habe mein Leben in der Hand. Ich kann es lenken und leiten und ich alleine trage die Verantwortung.
Bei meiner ersten Begleitung durfte ich dann erfahren, was der Satz meiner Freundin bedeuten kann. (Leider ist „mein Herr“ einen Tag danach verstorben). Aber seine letzten Worte an mich: „Machen Sie es auch gut“ waren für mich wie eine Segnung. Sie bedeuten mir sehr viel.
Ich fühle mich stark und bestens auf meine Einsätze als Hospizmitarbeiterin vorbereitet. Ich freue mich auf das, was mir in meiner Arbeit begegnen wird.
Sabine Westerheide, November 2015